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Archivbilder des Quartals 2025/2

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Tram Uetliberg

Die Uetlibergbahn ist 150 Jahre alt. Sie hat eine wechselvolle Geschichte. Sie begann als Dampfbahn, geriet in Schwierigkeiten und während fast zwei Jahren verkehrte kein einziger Zug mehr. Über 20 Jahre lang bestanden Pläne, die Bahn von Normalspur auf Meterspur umzubauen und an das städtische Tramnetz anzuschliessen. Und 14 Jahre lang wurde sie im Nebenamt von einem Tramdirektor geführt.

Archivbilder des Quartals 2025/2

Vor 150 Jahren …

Tram Museum Zürich

Im Mai 1875 ‒ das war 7 Jahre vor dem Rösslitram ‒ dampften die ersten Züge vom Selnau auf den Zürcher Hausberg. Die Bahn wurde, wie damals üblich, in Normalspur angelegt und ist mit einer Maximalsteigung von 79 Promille die steilste normalspurige Adhäsionsbahn des Landes. Zunächst verkehrten die Züge gewissermassen als Schnellzüge ‒ ohne Halt. Eine Zwischenstation gab es erst nach zwei Jahren auf der Waldegg. Weil diese sich auf die Frequenzen günstig auswirkte, wurde ein Jahr später auch in der Binz eine Haltestelle errichtet, welche den Namen «Wiedikon» erhielt. (Die Nordostbahn-Station an der Linie Zürich‒Thalwil hiess zu dieser Zeit «Wiedikon-Aussersihl».) Anlässlich der Eingemeindung 1893 wurde die Station in «Zürich-Binz» umgetauft. Triemli bekam erst 1917 eine Haltestelle. 

Gipfeltram und Führung zum Hauptbahnhof

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Ideal waren die beiden Endpunkte nicht, was sich mehr und mehr bemerkbar machte. Die Bahn endet 55 Höhenmeter unterhalb des Gipfels. Wer die Aussicht auf die Stadt geniessen möchte, muss einen rund 10-minütigen Fussmarsch bergauf in Kauf nehmen. Um den Fahrgästen diese Unannehmlichkeit zu ersparen, reichte die Uetlibergbahn 1906 in Bern ein Konzessionsgesuch ein für eine schmalspurige elektrische Strassenbahn von der Bergstation zum Uto Kulm. Die 634 Meter lange Tramlinie hätte auch dem Gepäck- und Gütertransport gedient. Es blieb beim Plan, für die Realisierung fehlte das Geld.

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Auch der Ausgangsbahnhof Selnau war nicht attraktiv. Für die am Hauptbahnhof ankommenden Gäste war der Transfer kompliziert und beschwerlich. Zwar wurde der Bahnhof Selnau 1910 mit der Linie 8 an das Tramnetz angeschlossen, doch der Hauptbahnhof war nur mit einem zusätzlichen Umsteigen zu erreichen. Schon in den frühen 1900er Jahren suchte man nach einer Verbesserung. Im Zusammenhang mit der Tieferlegung der rechtsufrigen Seebahn wurde geplant, die Uetlibergbahn ‒ zusammen mit der Sihltalbahn ‒ ab Giesshübel durch einen Tunnel zum neuen Bahnhof Enge zu führen. Der Plan musste wegen der beschränkten Platzverhältnisse in der Enge aufgegeben werden. Nun trat die Idee in den Vordergrund, die Uetlibergbahn direkt zum Hauptbahnhof zu führen. Die Stadtbehörden verfolgten dabei folgende Strategie: 1. Elektrifikation, 2. Umbau auf Schmalspur, 3. Anschluss an das städtische Strassenbahnnetz. 1909 beschloss der Stadtrat, entsprechende Pläne und Kostenberechnungen anfertigen zu lassen. Der Stadtrat war übrigens stets mit einem Vertreter im Verwaltungsrat der Uetlibergbahn vertreten. Die Strassenbahndirektion arbeitete daraufhin mehrere Vorschläge aus. 

Anschluss Strassenverkehrsamt

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Eine Variante mit mehreren Versionen sah die Führung ab dem Raum Binz/Giesshübel entweder rechts oder links der Sihl direkt zum Hauptbahnhof vor. Da man aber das Bahntrasse in Stadtnähe lieber für andere Zwecke verwenden wollte, war das Interesse an einer höher gelegenen Anknüpfung an das Tramnetz grösser. Eine Variante bestand in der Führung vom Schweighof durch die (zu dieser Zeit erst projektierte) Schweighofstrasse zum heutigen Strassenverkehrsamt und dort Anschluss an die Albisgütlibahn. Das bedeutete zwar einen Umweg, hatte aber den Vorteil, dass das Wohnbaugebiet Friesenberg erschlossen und die darbende Albisgütlibahn aufgewertet worden wäre. Eine weitere Variante war die Verlängerung der Albisgütlibahn zum Kolbenhof, dem Ausgangspunkt einer allfälligen Standseilbahn zum Uto Kulm, welche die Uetlibergbahn ersetzt hätte.

Goldbrunnenplatz oder Triemli

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Die zunächst von der Strassenbahndirektion favorisierte Variante sah die Linienführung ab Friesenberg durch die Friesenbergstrasse vor, um am Goldbrunenplatz den Anschluss zum Tramnetz herzustellen. 

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1921 und 1926 verlängerte die Städtische Strassenbahn die Heuried-Linie in zwei Etappen vom einstigen Endhalt bei der Talwiesenstrasse zum Triemli. Ab jetzt war nur noch vom Uetlibergbahn-Anschluss im Triemli die Rede, wenngleich die dortigen Steigungsverhältnisse nicht sehr vorteilhaft waren.

Schlechte Zeiten

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Während die Planungen munter voranschritten ‒ sogar eine Zweiglinie Waldegg‒Birmensdorf wurde vorgeschlagen ‒, ging es der Bahn immer schlechter. Als reine Ausflugsbahn war sie ohnehin den Launen der Witterung unterworfen. Schlimm wurde es, als im Gefolge des Ersten Weltkrieges der Verkehr zurückging und die Kohlenpreise explodierten. Die Bahn erklärte sich schliesslich ausserstande, die anstehenden Unterhalts- und Instandstellungsarbeiten finanzieren zu können. Auch an die geplante Elektrifizierung war nicht zu denken. Am 1. November 1920 wurde der Betrieb eingestellt und die Gesellschaft liquidiert.

Bus statt Bahn

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Von privater Seite wurde 1920/1922 eine radikale Lösung propagiert. Das Trassee der Bahn sollte asphaltiert und darauf ein Busbetrieb eingerichtet werden. Der Vorschlag sah vor, die Strasse gegen Gebühr auch für Privatautos freizugeben. Eine Kostenberechnung ergab jedoch eine ungünstige Rendite; das Trassee hätte an vielen Stellen verbreitert werden müssen, um das Kreuzen zu ermöglichen. 

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Und bei den offiziellen Stellen erhielt die Idee keine Unterstützung. Der Uetliberg blieb weiterhin autofrei.

Wiederauferstehung

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In der Stadt herrschte über die Betriebseinstellung grosse Aufregung. Persönlichkeiten und Institutionen legten sich ins Zeug und schliesslich konnte mit frischem Kapital eine neue Gesellschaft gegründet werden: Aus der Uetlibergbahn (UeB) entstand die Bahngesellschaft Zürich‒Uetliberg (BZUe). Die Strecke wurde ertüchtigt und die Elektrifikationsarbeiten begannen. Am 22. August 1922 konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden, zunächst mit Dampf. 

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Aus finanziellen Gründen wurde zwar die Normalspur beibehalten, aber sonst alles für eine spätere Anbindung ans Tramnetz vorbereitet. Die gewählte Stromspannung von 1200 Volt Gleichstrom ermöglichte die gleiche Lösung wie bei der Forchbahn, wo die Züge auf der Überlandstrecke ebenfalls mit höherer Spannung verkehren als auf dem Stadtteil. Auch das bestellte Rollmaterial war auf den späteren Trambetrieb ausgerichtet. Es hatte die für Normalspurbahnen ungewöhnlich schmalen Breite von 2,2 Meter, also gleich wie bei den damaligen Tramwagen. Bei einer Umspurung auf Meterspur hätte man lediglich die Radsätze auswechseln müssen. 

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Ein Problem ergab sich bei der Fahrleitung. Nahezu gleichzeitig war die Elektrifikation der Sihltalbahn im Gange, welche sich wegen des regen Güterverkehrs an den Normen der SBB anlehnte und ihr Netz mit 15 000 Volt Wechselstrom versah. Damit sich die beiden Stromarten auf der gemeinsamen Strecke zwischen Selnau und Giesshübel nicht in die Quere kamen, wurde die Fahrleitung der Uetlibergbahn 1,3 Meter seitlich verschoben aufgehängt. Die Konstruktion im oberen Streckenteil war so beschaffen, dass die Leitung später ohne besonderen Aufwand in die Mitte verschoben werden konnte. (Dies geschah erst 2022, als die Spannung der Uetlibergbahn an die Sihltal-Linie angepasst wurde.) Die ersten beiden elektrischen Motorwagen samt vier passende Anhängewagen wurden 1923 abgeliefert. Bei starkem Verkehr waren weiterhin Dampfloks im Einsatz, bis zwei weitere elektrische Züge beschafft wurden. 

Tramanschluss weiterhin aktuell

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Die Idee der Einführung in das Tramnetz beim Triemli wurde weiterverfolgt. Ganz unumstritten war das Projekt nicht. Es sei nicht sinnvoll, eine Touristen-Bahn mitten durch ein Arbeiterquartier zu führen, lauteten die Bedenken. Das sei doch kein Problem, denn Wiedikon sei ein Quartier mit gepflegten Strassen, wurde auf der Gegenseite argumentiert. 1926 wurde ein Vertragsentwurf ausgearbeitet, welcher die Einzelheiten regelte. Als Zwischenhaltestellen waren vorgesehen: Triemli, Bahnhof Wiedikon und Stauffacher. Am Hauptbahnhof sollten die Züge über die (allerdings zu diesem Zeitpunkt erst projektierte) Schleife Gessnerallee wenden. Für die Regelung der Abgeltung orientierte man sich am bestehenden Vertrag mit der Forchbahn.

Ein Tramdirektor übernimmt

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Der erste Uetlibergbahn-Direktor hiess Heinrich Isler. Er erlebte die Betriebseröffnung nicht. Er wurde ermordet. Mit dem Amt hatte die Tat nichts zu tun, es war ein Eifersuchtsdelikt. Nach einer Reihe vollamtlicher Direktoren wurde auf 1. Januar 1918 eine preiswertere Lösung realisiert. Der Posten wurde in ein Nebenamt umgewandelt, welches Guido Meyer übernahm, der Direktor der Strassenbahn Zürich‒Oerlikon‒Seebach (ZOS). Damit wanderte der Direktionssitz der Uetlibergbahn nach Oerlikon. Meyer führte den Betrieb durch die schwierige Phase, sowohl in der alten, wie auch in der neuen Gesellschaft. Er war ein überaus tüchtiger Mann, auf den man sich verlassen konnte. Bei Tagen mit Grossandrang half er mit seinem ZOS-Personal aus; regelmässig begleiteten also Oerliker Trämler die Züge auf den Uetli. Auch andere Betriebe wurden auf den genialen Mann aufmerksam. Es gab eine Zeit, da amtete Meyer gleich-zeitig für 9 Unternehmungen als Direktor. Welche Synergien damit gewonnen wurden, sieht man daraus, dass die allgemein gültige Dienstbefehle im gleichen Aufwisch für alle Betriebe erlassen werden konnten. 

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Nach dem Tod von Meyer 1932 übernahm Fritz Weinmann, der Direktor der Sihltalbahn auch die Uetlibergbahn-Direktion. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Bahnen war von der Politik schon länger gefordert worden. Bis zur endgültigen Fusion dauerte es indes nochmals 40 Jahre. Die SZU wurde erst 1973 Realität. 

Was dann geschah

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In der ersten Hälfte der 1930er Jahre versandeten die Pläne. Die Krisenjahre verursachten einen Verkehrsrückgang. Nun waren Einsparungen gefordert und die Ausbaupläne wurden schubladisiert. Und als 1939 der erste vierachsige Zug mit Kastenbreite von 2,55 Meter in Betrieb genommen wurde, war die Integration ins Tramnetz endgültig vom Tisch. Die Uetlibergbahn erreichte 1990 doch noch den Hauptbahnhof und wurde gleichzeitig zur S-Bahn-Linie. Zuvor schon hatte sie auch innerstädtische Bedeutung erlangt, mit der Eröffnung der Haltestellen Friesenberg 1933 und Schweighof 1936 wurde sie mehr und mehr von der reinen Ausflugs- auch zur Pendlerbahn. 

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Einer der tramähnlichen Züge ‒ Motorwagen 2 und Anhängewagen 41 ‒ überlebte, wurde wieder in den grünen Ursprungsfarben lackiert und als historische Komposition für Sonderfahrten eingesetzt. 2008 war dann allerdings Schluss, denn durch die langsame Geschwindigkeit des Zuges und mangels geeigneter Überholungs- und Kreuzungsmöglichkeiten war es nicht mehr möglich, die Nostalgiefahrten in den dichten Taktfahrplan einzufädeln. 

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Für 5 Jahre erhielt die Komposition Asyl im Verkehrshaus und gelangte anschliessend nach Winterthur, wo sie seit 2015 ‒ ergänzt mit einem passenden Gepäckwagen ‒ als Immobilie in Form des Bistros «Les Wagons» der Nachwelt erhalten ist. Die Uetlibergbahn-Atmosphäre der 1920er Jahre kann man also auch heute noch geniessen, zwar nur im Stillstand, dafür aber bei Speis und Trank.